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Empfehlungen zur Abgrenzung der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII / §§ 67 – 69 SGB XII (Stand: 01.07.2012 - Anlage 2)

1. Vorbemerkungen

2. Rechtsgrundlagen

2.1 § 41 SGB VIII - Hilfe für junge Volljährige -

2.1.1 Anspruchsberechtigter Personenkreis

2.1.2 Hilfeziel und Erfolgsaussichten

2.1.3 Mitwirkungspflicht

2.1.4 Leistungen der Hilfe

2.1.5 Hilfeplan

2.1.6 Grenzfälle der Zuständigkeit

2.2 §§ 67 – 69 SGB XII - Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten -

2.2.1 Anspruchsberechtigter Personenkreis

2.2.2 Hilfeziel und Erfolgsaussichten

2.2.3 Maßnahmen (Leistungen/Gesamtplan)

2.2.4 Nachrang der Hilfe nach den §§ 67 – 69 SGB XII

3. Abgrenzung der Leistungspflicht

3.1 Grundsatz

3.2 Leistungspflicht der Jugendhilfeträger

3.3 Leistungspflicht der Sozialhilfeträger

3.4 Überschneidungsfälle

Erarbeitet auf Anregung der Arbeitsgruppe KJHG beim Städtetag NW von einem Arbeitskreis aus Vertreter/innen der Jugendämter, der überörtlichen Sozialhilfe und der Landesjugendämter, beschlossen von den Landesjugendhilfeausschüssen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und des Landschaftsverbandes Rheinland.

1. Vorbemerkungen

Die Träger der Jugendhilfe und der Sozialhilfe haben nach Inkrafttreten des SGB VIII unterschiedliche Auffassungen zur Frage der Abgrenzung zwischen Hilfen zur Erziehung für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII und Hilfen fürPersonen mit besonderen sozialen Schwierigkeitennach den §§ 67 – 69 SGB XII entwickelt. Dies führte zu Differenzen über die Leistungszuständigkeit. Die folgenden Empfehlungen sollen dazu beitragen, die Abgrenzung der Zuständigkeiten zu erleichtern und damit die Entscheidungen über die Gewährung von notwendigen Hilfen im Einzelfall zu beschleunigen. Sie tragen überdies der Erfordernis einer engen Zusammenarbeit der Leistungsträger Rechnung, die Neufassung der Verordnung zur Durchführung der Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten in § 2 nochmals besonders hervor zu heben. Die Rechtsposition der Betroffenen wird durch die Empfehlungen nicht berührt. (Anmerkung: Der Landesjugendhilfeausschuss Westfalen-Lippe hat in seiner Beratung der Empfehlungen Wert darauf gelegt, dass die Interessen der Betroffenen im Sozialleistungsverfahren berücksichtigt werden. Wenn also eine Behörde eine andere für zuständig hält, sollte sie nicht den Betroffenen weiterverweisen, sondern den Fall abgeben und den Betroffenen darüber informieren. Soweit eine beantragte Leistung nicht bewilligt wird, sollte dies dem Betroffenen schriftlich mit Rechtsbehelfbelehrung entsprechend den gesetzlichen Regelungen mitgeteilt werden. )

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die vom Gesetzgeber vorgegebene Regel, dass Leistungen nach dem SGB VIII - dem Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfeträger entsprechend - denjenigen nach dem SGB XII vorgehen. Das bedeutet, dass der Jugendhilfeträger immer dann eintritt, wenn dem jungen Volljährigen Hilfe zur Erziehung entsprechend § 41 SGB VIII gewährt werden muss. Der Vorrang kann nicht mit dem Argument verneint werden, den Hilfeinhalten und -zielen fehle es an der notwendigen Identität. Zwar ist die Wortwahl in § 41 SGB VIII eine andere als die in den §§ 67 und 68 SGB XII jedoch ist unbestreitbar, dass es sich hier wie dort um qualifizierte Hilfen handelt, die über die Einflussnahme auf die Lebenswelt und die Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen für diese so weitgehend wie möglich ein eigenverantwortliches Leben bewirken sollen. Die Grenzen der Hilfen nach dem SGB VIII werden allerdings überschritten, wenn die Mitwirkungsbereitschaft und / oder -fähigkeit der Klienten so weit reduziert ist, dass ein Erfolg von Maßnahmen nicht anzunehmen ist.

2. Rechtsgrundlagen

2.1 § 41 SGB VIII - Hilfe für junge Volljährige -

2.1.1 Anspruchsberechtigter Personenkreis

Zielgruppe der Hilfe sind junge Volljährige, die aufgrund ihrer individuellen Situation Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Der Stand der Persönlichkeitsentwicklung des Leistungsberechtigten muss unterhalb des in diesem Lebensalter allgemein erreichten Niveaus der Sozialisation liegen. Beurteilungsmerkmale sind u.a.

  • der Grad der Autonomie,
  • der Stand der schulischen bzw. beruflichen Ausbildung,
  • die Beziehungen zur sozialen Umwelt und
  • die Fähigkeit zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens.

Die Ursachen der bestehenden Defizite sind - soweit nicht eine körperliche oder geistige Behinderung vorliegt - für die Zugehörigkeit zur Zielgruppe nicht erheblich; sie können in der Persönlichkeit des jungen Volljährigen oder in äußeren Umständen wie z. B. einer sozialen Benachteiligung liegen. Die Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung und bei der eigenständigen Lebensführung müssen von einigem Gewicht sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie prägend für die individuelle Situation des Leistungsberechtigten sind und zu ihrem Abbau für einen längeren Zeitraum Beratung, Anleitung und Unterstützung durch Dritte notwendig sind. Störungen bei sonst abgeschlossener Persönlichkeitsentwicklung, die nur gelegentliche anlassbezogene Hilfeleistungen notwendig machen oder zu gelegentlichen Problemen bei der eigenständigen Lebensführung führen, begründen die Zugehörigkeit zum Personenkreis nicht. Schwerwiegende Defizite in Teilaspekten der Sozialisation reichen dagegen aus. In der Regel ergibt sich die Zugehörigkeit zum anspruchsberechtigten Personenkreis aus einer Häufung von Defiziten, die nicht nur in Einzelschwierigkeiten zum Ausdruck kommen, sondern sich als eine Summe von Problemen in einer Vielzahl von Lebensbereichen, z. B. fehlender Ausbildung oder sich schwierig gestaltender zwischenmenschlicher Beziehungen darstellen.

2.1.2 Hilfeziel und Erfolgsaussichten

Die Hilfe nach § 41 SGB VIII ist ergebnisorientiert; es muss Aussicht bestehen, die Hilfeziele zu erreichen. Allgemeines Hilfeziel ist, die bestehenden Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung so weit wie möglich zu beseitigen und den jungen Volljährigen in die Lage zu versetzen, ein seinen Vorstellungen entsprechendes Leben in der Gemeinschaft selbst zu gestalten und ohne fremde Hilfe führen zu können. Für den Anspruch auf Hilfe nach § 41 SGB VIII reicht es aus, dass nach fachlicher Erkenntnis und unter Würdigung der konkreten Umstände im Einzelfall dieses Hilfeziel grundsätzlich erreichbar erscheint. Dafür ist eine prognostische Einschätzung notwendig, in der es genügt, wenn Teilerfolge, also weitere Fortschritte in der Sozialisation zu erwarten sind.Eine zeitliche Grenze innerhalb derer das Hilfeziel erreicht werden muss, z. B. bis zur Vollendung des 21. oder 27. Lebensjahres, besteht nicht. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten dürfen keine überzogenen Maßstäbe zugrunde gelegt werden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Beginn der Hilfe reicht die Wahrscheinlichkeit, dass Fortschritte im Sinne der allgemeinen Hilfeziele erreichbar sind, aus. Im Übrigen sind für die Beurteilung die Vorgeschichte, insbesondere der Verlauf früherer Hilfen, sowie die Eignung der von dem Leistungsberechtigten gewünschten und akzeptierten Hilfemaßnahmen wesentliche Gesichtspunkte.

2.1.3 Mitwirkungspflicht

Unverzichtbare Voraussetzung für einen Erfolg der Hilfe ist die Bereitschaft des jungen Volljährigen, an der Gestaltung der Hilfe und bei der Durchführung der notwendigen Maßnahmen mitzuwirken. Dies setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte bereit ist, nicht nur materielle Hilfen zur Sicherung des physischen Überlebens in Anspruch zu nehmen, sondern auch persönliche, auf Fortentwicklung und Verhaltensänderungen zielende Maßnahmen der Beratung, Anleitung und Unterstützung und bei ihnen im zumutbaren Umfange aktiv mitzuarbeiten. Ist hierzu die prinzipielle Bereitschaft gegeben und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der junge Erwachsene seine aktuelle Lebenssituation als belastend empfindet und bereit ist, sich an Veränderungen im Sinne der Hilfe des § 41 SGB VIII zu beteiligen, so ist davon auszugehen, dass das Mindestmaß der an die Mitwirkungsbereitschaft zu stellenden Anforderungen erfüllt ist. Unter diesen Voraussetzungen ist die Motivation zur Inanspruchnahme geeigneter Hilfen bereits Bestandteil der Hilfe nach § 41 SGB VIII, schwankende Mitwirkungsbereitschaft ist als ein Bestandteil des Hilfeprozesses anzusehen, der zunächst die Erfolgsaussichten der Hilfe nicht entscheidend in Frage stellt. In derartigen Fällen ist die Hilfe über einen begrenzten Zeitraum mit dem Ziel einer Stabilisierung der Mitwirkungsbereitschaft ggf. einer Anpassung der Hilfemaßnahmen fortzusetzen. Eine nachhaltige und länger andauernde Verweigerungshaltung des jungen Erwachsenen gegenüber den sich aus der Umsetzung des Hilfeplanes an ihn ergehenden Anforderungen führt zu einem Fortfall der Erfolgsaussichten der Hilfe und zu einem Verlust des Anspruchs auf Hilfe nach § 41 SGB VIII. 

2.1.4 Leistungen der Hilfe

Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem Bedarf im Einzelfall. Schwerpunkt der Hilfen ist die Gewährung erzieherischer und damit ggf. verbundener therapeutischer Leistungen. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Krankenhilfe kommen nur nach den in §§ 39 ff SGB VIII genannten Fallgestaltungen als ergänzender Bestandteil dieser Hilfen in Betracht. Sind für die Deckung des Hilfebedarfes nur Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhaltes notwendig und ausreichend oder ist der junge Volljährige nur zur Annahme dieser Hilfen bereit und lehnt er die Inanspruchnahme der notwendigen erzieherischen Hilfen ab, so kommt Hilfe nach § 41 SGB VIII nicht in Betracht.

2.1.5 Hilfeplan

Die Erstellung eines Hilfeplanes ist Bestandteil der Hilfe für junge Volljährige. Sie soll im Regelfall vor der Einleitung und dem Beginn anderer Leistungen erfolgen. Ist dies nicht möglich, weil die Hilfe keinen Aufschub duldet, ist sie unverzüglich nachzuholen. Ein abgeschlossenes Hilfeplanverfahren ist nicht Voraussetzung für die Leistung weiterer Hilfen nach § 41 SGB VIII, der Leistungsanspruch kann deshalb nicht wegen eines noch nicht eingeleiteten oder abgeschlossenen Hilfeplanverfahrens abgelehnt werden. Das Hilfeplanverfahren ist beschleunigt nachzuholen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die individuelle Situation des jungen Volljährigen eine Beeinträchtigung der Bereitschaft, Hilfe anzunehmen und bei ihr mitzuwirken, einschließt und dies für ein umfassendes Hilfeplanverfahren spricht.

2.1.6 Grenzfall der Zuständigkeit

Die Hilfe nach § 41 SGB VIII ist als “Soll-Leistung“ ausgestaltet. Sind die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ist sie deshalb im Regelfall zu erbringen. Es bedarf einer besonderen auf die Umstände des Einzelfalles abgestellten Begründung, wenn sie ausnahmsweise nicht geleistet werden soll. Fiskalische Überlegungen oder der Verweis auf die mögliche Geltendmachung von Rechtsansprüchen auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII begründen ein Abweichen vom Regelfall des § 41 SGB VIII nicht.

2.2 §§ 67 - -69 SGB XII - Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten

2.2.1 Anspruchsberechtigter Personenkreis

Zielgruppe der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse derart mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, dass die Überwindung der besonderen Lebensverhältnisse auch die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten erfordert. Des weiteren kann diese besondere Lebenslage nicht aus eigenen Kräften überwunden werden. Besondere Lebensverhältnisse sind Mangelsituationen, das heißt die von der Gesellschaft als üblich angesehenen Mindeststandards bei den Grundbestandteilen eines normalen Lebens werden unterschritten. § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten benennt beispielhaft besondere Lebensverhältnisse. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Soziale Schwierigkeiten liegen vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Leistungsberechtigten oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist. Es müssen nicht nur vorübergehende Probleme bei der Interaktion mit der sozialen Umwelt vorliegen. Bei besonderen sozialen Schwierigkeiten im Sinne des § 67 SGB XII sind besondere Lebensverhältnisse und soziale Schwierigkeiten wechselseitig derart miteinander verbunden, dass eine isolierte Veränderung bei einem der beiden Elemente keine nachhaltige Verbesserung der Lebenslage des Betroffenen nach sich zieht. Es lässt sich deshalb zwischen diesen beiden Elementen keine Ursache-Wirkung-Beziehung herstellen. Das Tatbestandsmerkmal der fehlenden Fähigkeit, die bestehenden Schwierigkeiten aus eigenen Kräften zu überwinden, kann sowohl durch in der Person des Betroffenen liegende Besonderheiten als auch durch äußere Faktoren, die er nicht beeinflussen kann, verursacht sein. Für die Zugehörigkeit zur Zielgruppe ist deshalb nicht Voraussetzung, dass ein die Fähigkeit zur üblichen Selbsthilfe beeinträchtigendes Persönlichkeitsdefizit vorliegt.

2.2.2Hilfeziel und Erfolgsaussichten

Auch die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ist ergebnisorientiert; es muss Aussicht bestehen, die Hilfeziele zu erreichen. Zentrales Hilfeziel ist, den Betroffenen zur Selbsthilfe zu befähigen, also in die Lage zu versetzen, ohne fremde Hilfe im üblichen Maß am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen. Der Leistungsberechtigte soll durch Unterstützung befähigt werden, sein Leben entsprechend seinen Bedürfnissen zu organisieren und selbstverantwortlich zu gestalten. Wegen der komplexen Lebenslage der Betroffenen umfasst die Hilfe die Behebung von materiellen Mängellagen in Verbindung mit einer Veränderung der Stellung der Betroffenen in ihrem sozialen Umfeld. Da die Entwicklung und Stärkung der Selbsthilfekräfte im Vordergrund der Zielsetzung steht, sind Dienstleistungen der Beratung und persönlichen Unterstützung vorrangige Hilfemaßnahmen. Die bloße Beseitigung wirtschaftlicher Hilfebedürftigkeit durch Geld- oder Sachleistungen gehört nicht zu den Zielen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Die Erfolgsaussicht ist prognostisch unter Berücksichtigung der zum Beurteilungszeitpunkt vorhandenen Kräfte und Fähigkeiten der nachfragenden Person zu beurteilen. Die Anforderung an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überzogen werden, es genügt, wenn die ernsthafte Bereitschaft zu erkennen ist, sich auf Maßnahmen einzulassen, die nicht unmittelbar auf die Veränderung der materiellen Lebenssituation gerichtet sind. Für eine positive Beurteilung der Erfolgsaussichten ist ein Mindestmaß an Motivation der nachfragenden Person, an der Zielerreichung mitzuarbeiten, unerlässlich. Allerdings dürfen an die Mitwirkungsbereitschaft des Leistungsberechtigten keine zu hohen Anforderungen gestellt werden: fehlende bzw. falsche Einsicht in die Ursachen der besonderen Lebensumstände und sozialen Schwierigkeiten sowie die zu deren Überwindung notwendigen Maßnahmen sind einem Teil des anspruchsberechtigten Personenkreises eigentümlich. Erfolgsaussichten sind deshalb bereits dann anzunehmen, wenn erwartet werden kann, dass durch Beratung und persönliche Unterstützung die Motivation der nachfragenden Person zur Mitarbeit geweckt und gestärkt werden kann. Auf frühere fehlgeschlagene Hilfemaßnahmen kann für die Beurteilung der Erfolgsaussicht in der Regel nur beschränkt zurückgegriffen werden, notwendig ist eine auf die aktuelle Situation gestützte Beurteilung. Im Hilfeprozess dagegen ist der bisherige Verlauf, insbesondere die Fortschritte bei der Umsetzung des Hilfeplanes neben den noch bestehenden Entwicklungspotenzialen ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Erfolgsaussichten weiterer Maßnahmen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ist. Da die Milderung oder Verhütung der besonderen sozialen Schwierigkeiten Bestandteil der Aufgaben der Hilfe nach § 68 SGB XII sind, ist die Erfolgsaussicht auch dann gegeben, wenn zunächst bei realistischer Betrachtung nur Teilziele erreichbar sind. Die Aussicht, die besonderen sozialen Schwierigkeiten vollständig zu überwinden und die Selbsthilfekräfte des Betroffenen so weit zu entwickeln, dass er die Anforderungen des täglichen Lebens vollständig ohne fremde Hilfe bewältigen kann, ist nicht Anspruchsvoraussetzung für die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Der Leistungsanspruch endet, wenn eine weitere Verbesserung der Möglichkeiten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nicht mehr erreicht werden kann.

2.2.3 Maßnahmen (Leistungen/Gesamtplan)

Für die Zielerreichung ist ein integrierter Hilfeansatz erforderlich. In der Regel wird deshalb die Aufstellung eines Gesamtplanes unter Umständen im Zusammenwirken mit anderen Leistungsträgern notwendig sein. Bei jungen Volljährigen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soll der Gesamtplan im Zusammenwirken mit dem Jugendamt abgestimmt werden. Bei Hilfen in stationärer Form soll der Gesamtplan möglichst vor Beginn der Hilfe erarbeitet sein.

2.2.4 Nachrang der Hilfe nach den §§ 67 – 69 SGB XII

Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten kommt trotz ihres umfassenden Hilfeansatzes nicht in Betracht, wenn der Hilfebedarf durch die Leistung anderer Hilfen nach dem SGB XII oder anderen Sozialleistungsgesetzen vollständig gedeckt wird. Die Unterstützung bei der Realisierung dieser vorrangigen Ansprüche ist - sofern notwendig - ebenso wie die Motivation der nachfragenden Person, derartige Leistungen in Anspruch zu nehmen, Bestandteil der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Je nach Lage des Einzelfalles kann es deshalb notwendig sein, bis zum Einsetzen der vorrangigen Hilfen Hilfe nach dem Achten Kapitel des SGB XII zu leisten.

3. Abgrenzung der Leistungspflichten

3.1 Grundsatz

Bei Zielgruppe, Aufgabe, Maßnahmen und Hilfezielen der Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII und der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach dem Achten Kapitel des SGB XII besteht weitgehende Kongruenz. Eine Abgrenzung zwischen den beiden Hilfearten über diese Elemente ist deshalb bei jungen Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, in der Regel nicht möglich. Wegen des allgemeinen Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) und des speziellen Nachrangs der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gegenüber den Leistungen nach SGB VIII (§ 67 Satz 2 SGB XII) verdrängt der Anspruch auf Hilfe nach § 41 SGB VIII in der Regel den Leistungsanspruch nach dem Achten Kapitel des SGB XII. Bei jungen Volljährigen im Sinne des § 41 SGB VIII kann deshalb nur ausnahmsweise und mit besonderer, an den individuellen Umständen anknüpfender Begründung, Hilfe nach § 41 SGB VIII abgelehnt werden, wenn gleichzeitig die Anspruchsvoraussetzungen für die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten erfüllt sind. Eine Abgrenzung zwischen den Leistungsansprüchen ist aber möglich über die durch das Lebensalter bestimmte Leistungsgrenze des Jugendhilfeträgers, die über unterschiedliche Anforderungen an die Motivation sowie über den Leistungsrahmen des Jugendhilfeträgers hinausgehenden Maßnahmen des § 68 SGB XII, die zur Deckung eines Hilfebedarfs bestimmt sind, an den § 41 SGB VIII nicht anknüpft.

3.2 Leistungspflicht der Jugendhilfeträgers

Der Träger der Jugendhilfe ist zuständig, wenn eine Hilfe entsprechend dem Hilfeplan umgesetzt oder fortgeführt wird. Zuständigkeit bedeutet die umfassende Verantwortlichkeit von der Hilfeplanung über die Entscheidung, über den Hilfebedarf und die Hilfeform bis zur Gewährung der Hilfe einschließlich Kostentragung.

  • Dies gilt für Hilfen, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurden und erst nach Eintritt der Volljährigkeit planmäßig beendet werden. Ein Wechsel der Hilfeform (z. B. von Vollzeitpflege auf Hilfe in einer sonstigen betreuten Wohnform) lässt die Leistungspflicht des Trägers der Jugendhilfe unberührt.
  • Das gilt auch für Hilfen, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres aber vor Vollendung des 21. Lebensjahres beantragt werden. Für die Leistungen dieser Hilfen ist der Träger der Jugendhilfe zuständig, sofern nicht einer der unter Ziffer 3.3 und 3.4 genannten Fallgestaltungen vorliegt.
  • Die Zuständigkeit des Trägers der Jugendhilfe endet grundsätzlich mit Vollendung des 21. Lebensjahres. Der Träger der Jugendhilfe ist jedoch auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres zuständig, wenn der Antrag vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt geworden ist, die Leistungen aber erst danach einsetzen, weil das Verwaltungsverfahren des Jugendhilfeträgers einschließlich der Erstellung des Hilfeplanes aus von dem Leistungsberechtigten nicht zu beeinflussenden Gründen nicht früher abgeschlossen werden konnte.

3.3 Leistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe

Der überörtliche Träger der Sozialhilfe ist für die Entscheidung über (teil)-stationäre Maßnahmen nach den §§ 67 – 69 SGB XII immer zuständig, wenn

  • der Hilfebedarf einem Sozialleistungsträger erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres bekannt wird, oder
  • der Leistungsberechtigte das 27. Lebensjahr erreicht,
  • keine Aussicht besteht, die Ziele von § 41 SGB VIII zu erreichen, weil der Leistungsberechtigte sich weigert, in dem ihm zumutbaren Umfang bei der Hilfe mitzuarbeiten oder weil Vorgeschichte und Verlauf des aktuellen Verwaltungsverfahrens mit hoher Wahrscheinlichkeit dagegen sprechen, dass mit Mitteln der Jugendhilfe das Ziel der Maßnahme nach § 41 SGB VIII bzw. die dafür notwendige Mitwirkungsbereitschaft erreicht werden kann,
  • die Inanspruchnahme der an sich gebotenen Hilfe nach § 41 SGB VIII wird von dem jungen Volljährigen abgelehnt. Es sind zunächst Maßnahmen erforderlich, die darauf gerichtet sind, die Bereitschaft zu wecken und zu fördern, derartige Hilfen in Anspruch zu nehmen,
  • wenn die Hilfe in Einrichtungen gewährt wird, die Leistungen nach den Leistungstypen 29 ff. des Landesrahmenvertrages Nordrhein-Westfalen erbringen.

3.4 Überschneidungsfälle

Überschneidungsfälle werden im Sinne dieser Empfehlungen als Fallgestaltungen verstanden, in denen eine eindeutige Zuordnung zur Leistungspflicht des örtlichen Trägers der Jugendhilfe oder des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach generellen Merkmalen nicht erfolgen kann oder im Ablauf des Leistungsfalles neue Tatbestände hinzutreten, die eine erneute Beurteilung der Leistungspflicht des Trägers der Jugendhilfe bzw. des Sozialhilfeträgers notwendig machen. Insbesondere handelt es sich um folgende Fallgestaltungen bei jungen Volljährigen zwischen 18 und 21 Jahren:

3.4.1 Während einer laufenden Hilfe der Jugendhilfe nach § 41 SGB VIII treten Umstände ein, die erhebliche Zweifel daran begründen, dass auch bei Umstellung oder Anpassung des Hilfeplanes die Ziele der Hilfe nach § 41 SGB VIII noch erreicht werden können: Wenn nach Überprüfung der Hilfeplanung durch die Jugendhilfe eine Zielerreichung der Hilfe nach § 41 SGB VIII nicht möglich ist, und nach ihrer Auffassung statt dessen Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach dem Achten Kapitel des SGB XII erforderlich und möglich sind, sollte die Jugendhilfe dies der Sozialhilfe mit konkreten Angaben zur mangelnden Mitwirkungsbereitschaft bzw. zur mangelnden Erfolgsaussicht (z.B. unter Bezugnahme auf den bisherigen Hilfeverlauf) mitteilen.

3.4.2 Wegen der besonderen Lebensverhältnisse des jungen Volljährigen ist eine sofortige stationäre Hilfeleistung unumgänglich und der Beginn der Leistung kann nicht bis zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen des Jugendamtes nach § 41 SGB VIII (insbesondere der Erfolgsaussichten der Hilfen) aufgeschoben werden: Hier leistet zunächst die Sozialhilfe. Ein (gegebenenfalls vorläufiger) Hilfeplan soll aber innerhalb von sechs Wochen durch die Jugendhilfe erstellt sein, gegebenenfalls mit Beteiligung der Sozialhilfe. Ergibt sich danach die Zuständigkeit der Jugendhilfe, übernimmt sie die Fallverantwortung und erstattet dem Sozialhilfeträger die bereits entstandenen Kosten. Ergibt sich bei der Hilfeplanung, dass die Jugendhilfe nicht zuständig ist, bleibt es bei der Leistungspflicht der Sozialhilfe.

3.4.3 Der Leistungsberechtigte wurde ohne Beteiligung des Jugendamtes oder des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe bereits in einer Einrichtung der Hilfe nach den §§ 67 – 69 SGB XII aufgenommen, die entsprechend einer mit dem Träger der Sozialhilfe abgeschlossenen Vereinbarung nach den §§ 75 ff. SGB XII Leistungen erbringt, die den Leistungstypen 27 oder 28

(Anmerkung: Bezeichnung der Leistungstypen: LT 27 “Wohnen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten mit intensiver persönlicher Betreuung und Beratung in teilstationärer Form“; LT 28 “Hilfe für junge Erwachsene in besonderen sozialen Schwierigkeiten“. Einrichtungen, die Leistungen nach diesen Leistungstypen anbieten, sind entsprechend der nachfolgenden Vereinbarung zur Regelung der Überschneidungsfälle darüber informiert, dass sie zunächst den Antrag bei der Sozialhilfe stellen. Dieser wird sich gegebenenfalls mit dem Träger der Jugendhilfe zur weiteren Planung und Abwicklung des Leistungsfalles in Verbindung setzen.)

 des Landesrahmenvertrages (stationärer Teil) Nordrhein-Westfalen zuzuordnen sind. Hier leistet zunächst der überörtliche Träger der Sozialhilfe. Dieser erstellt i.d.R. innerhalb von sechs Wochen den Gesamtplan. Ergeben sich dabei Hinweise für eine Zuständigkeit der Jugendhilfe, überprüft der örtliche Träger der Jugendhilfe, ob er eintritt und erstattet gegebenenfalls dem Sozialhilfeträger die bereits entstandenen Kosten.

3.4.4 Der junge Volljährige erhält Hilfe in einer Einrichtung nach den §§ 67 – 69 SGB XII mit dem Ziel der Motivation zur Inanspruchnahme von vorrangigen/weiterführenden Hilfen der Jugendhilfe, sofern die Einrichtung Leistungen der Leistungstypen 27 bzw. 28 des Landesrahmenvertrages (stationärer Teil) Nordrhein-Westfalen erbringt. Sobald der junge Volljährige hinreichend motiviert ist, vorrangige / weiterführende Hilfen der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen, soll die Sozialhilfe bzw. die Einrichtung die Jugendhilfe informieren, so dass diese die Hilfeplanung für diese vorrangige / weiterführende Hilfe aufnehmen kann.